Häusliche Gewalt (be)trifft auch Kinder! Wie das Gewalthilfegesetz den Kinderschutz stärken kann

Im Gespräch mit dem Kinderschutz-Zentrum Bremen

Das Gewalthilfegesetz

Am 14. Februar 2025 verabschiedete der Bundesrat das Gesetz für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt (Gewalthilfegesetz). Es soll bundesweit einen kostenfreien und barrierearmen Zugang zu Schutz- und Beratungseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder gewährleisten. Der im Gesetz verankerte individuelle Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung tritt zum 1. Januar 2032 in Kraft, um den Ländern ausreichend Zeit zur Anpassung ihrer Hilfestrukturen zu geben.

Das Gewalthilfegesetz wurde als Reaktion auf die steigenden Fallzahlen häuslicher und sexualisierter Gewalt entwickelt und stellt einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, dar. Denn die Schaffung eines klaren rechtlichen Rahmens dient der effektiveren Bekämpfung von Gewalt und der nachhaltigen Verbesserung der Hilfestrukturen.

Maßnahmen zur Stärkung des Schutzes betroffener Kinder

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung und Stärkung des Schutzes junger Menschen. Als gewaltbetroffene Personen im Sinne dieses Gesetzes sind explizit auch Kinder benannt, die geschlechtsspezifische oder häusliche Gewalt gegenüber nahestehenden Dritten miterlebt haben oder miterleben.

Konkret sieht das Gesetz beispielsweise eine verstärkte finanzielle und strukturelle Förderung von Kinderschutz-Zentren und weiteren Schutz- und Beratungsstellen vor, die betroffenen Kindern und ihren Bezugspersonen Sicherheit und Beratung bieten. Neben akuten Schutzmaßnahmen sollen auch präventive Maßnahmen gefördert werden. Durch gezielte Schulungen für Fachkräfte, die Stärkung der Jugendämter und der Aufklärungsarbeit sollen Risiken frühzeitig erkannt und gemeldet werden, um nach Gewalt nicht nur zu intervenieren, sondern sie bereits im Vorfeld zu verhindern.

Chancen des Gewalthilfegesetzes für die Kinderschutzpraxis: Im Gespräch mit dem Team des Kinderschutz-Zentrums Bremen

Das Kinderschutz-Zentrum Bremen ist eine wichtige und etablierte Anlaufstelle für Kinder, die häusliche Gewalt zwischen Eltern oder Bezugspersonen erleben oder erlebt haben. Und ihre Beratungsarbeit für diese Zielgruppe ist besonders, denn neben der Arbeit in den Räumlichkeiten des Zentrums ist das Beratungsteam zusätzlich aufsuchend tätig:

„Im Rahmen der Istanbul-Konvention ist die aufsuchende Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt seit 2021 ans Kinderschutz-Zentrum angegliedert worden. Mit dem expliziten Auftrag, nach häuslicher Gewalt für Kinder und Jugendliche da zu sein, können wir sie in ihrem vertrauten sozialen Umfeld, beispielsweise in der Schule, im Jugendzentrum, in Frauenhäusern und Übergangswohnheimen oder auch zu Hause beraten und begleiten.

Gleichzeitig stellen wir auch im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit dem Amt für Soziale Dienste unser Angebot vor Ort vor und stehen teilweise auch im Hilfe-/Schutzplan. Vorrangig gilt es uns, die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder- und Jugendlichen zu erkennen und sie bei ihrem individuellen Weg, unter Berücksichtigung des Kindeswohls und mit Blick auf das gesamte Familiensystem zu unterstützen. Zudem haben wir ein regelhaftes Gruppenangebot für von häuslicher Gewalt betroffene Kinder direkt im Frauenhaus etabliert. Wichtig dabei ist uns auch die Freiwilligkeit aller unserer Angebote.“

Eine konkrete Maßnahme des Gewalthilfegesetzes ist die Bereitstellung von bedarfsgerechten Schutz- und Unterstützungsangeboten. Welche Unterstützung Kinder und ihre Bezugspersonen nach miterlebter häuslicher Gewalt wirklich brauchen und wo es auf struktureller Ebene noch Handlungsbedarf gibt, zeigt sich in der täglichen Arbeit mit Betroffenen:

„Kinder und ihre engen Bezugspersonen sind diejenigen, deren Bedürfnisse im Hilfesystem und auf rechtlicher Ebene an erster Stelle stehen sollten. Nach miterlebter häuslicher Gewalt brauchen sie Sicherheit, geschützte Orte, und zuverlässige traumasensible Wegbegleiter*innen, die weitere Grenzverletzungen und existentielle Bedrohungen vermeiden.

Dafür braucht es, wie teils auch mit dem Gewalthilfegesetz geplant, die regelhafte Finanzierung aller kostenlosen bereits etablierten Beratungsstellen, den Ausbau der Kinder- und Jugendtherapeutischen Angebote, mehr Frauenhausplätze und traumasensible Kinderbegleitung vor Ort, eine bessere Ausstattung der Häuser, mehr Privatsphäre und reguläre Sprachmittlung. Zudem braucht es unbedingt fest etablierte kostenlose therapeutische Täter*innenberatungsangebote in Verbindung mit rechtlichen Auflagen sich mit der Täter*innenschaft auseinandersetzen zu müssen.“

Für die Sicherstellung eines bundesweiten, verlässlichen Hilfesystems sollen auch bestehende Lücken im Hilfenetz der Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen (z. B. Frauenhäuser) geschlossen werden. Doch was bedeutet das konkret für die Arbeit im Kinderschutz-Zentrum?

„Das ist momentan noch relativ offen, da in 2024 viele Kürzungen für Kinder- und Jugendangebote anstanden und auch unser Angebot davon bedroht war. Mit Inkrafttreten des Gewalthilfegesetzes erhoffen wir uns eine dauerhaft institutionell gesicherte Finanzierung, um das bisherige anonyme, kostenfreie und freiwillige aufsuchende Angebot weiterhin aufrechterhalten und ausbauen zu können.

Es hat sich gezeigt, dass wir mit unseren unterschiedlichen niedrigschwelligen und freiwilligen Zugängen immer mehr Kinder und Jugendliche erreichen. Somit können sie tatsächlich ihr Recht auf elternunabhängige Beratung in Anspruch nehmen. Genauso gilt dies für die Weiterführung unserer gut etablierten Präventionsangebote für Fachkräfte, die Elternberatung und die guten Kooperationen im Hilfesystem.“

Das Kinderschutz-Zentrum Bremen

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