Qualitätsentwicklungsverfahren im Kinderschutz in NRW – Modellprojekt unterstützt und begleitet die Arbeit der Jugendämter

Bericht

Ein wesentliches Ziel des im Jahr 2022 verabschiedeten Landeskinderschutzgesetzes ist es, die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen in ihrer Verantwortung für den Kinderschutz zu stärken. Neben weiteren konkreten Maßnahmen sieht § 8 die Entwicklung eines Qualitätsentwicklungsverfahrens vor, mit dem die Jugendämter im Turnus von fünf Jahren mit externer Unterstützung die Qualität ihrer Kinderschutzarbeit überprüfen und ihre Themen für die weitere Qualitätsentwicklung bestimmen (§ 8 LKG).

Dieses bundesweit bislang einmalige Konzept wurde in einer Pilotphase (von Juni 2023 bis Juli 2024) federführend vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) und dem Institut für Soziale Arbeit (ISA) in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren (BAG KIZ) im Auftrag des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI) erarbeitet und gemeinsam mit 18 Jugendämtern erprobt. Unterstützt und begleitet wurde die Projektgruppe von den kommunalen Spitzenverbände, den beiden Landesjugendämtern, der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik der TU Dortmund und der Liga der freien Wohlfahrtspflege NRW.

Die Ergebnisse, Erfahrungen und Resonanzen dieser für alle Beteiligten ebenso herausfordernden wie spannenden Entwicklungsarbeit konnten im Rahmen einer landesweiten Fachtagung am 26. Juni 2024 in Köln mehr als 200 Fachkräften präsentiert werden. Josefine Paul als zuständige Ministerin eröffnete den Fachtag mit einem pointierten Vortrag zur Bedeutung dieser umfassenden Initiative des Landes NRW zur Qualitätsentwicklung im Kinderschutz. Fachkräfte und Leitungen der beteiligten Jugendämter berichteten übereinstimmend positiv über den Gewinn für ihre Kinderschutzarbeit, aber auch kritisch über die Herausforderungen eines Pilotprojektes.

Abschlusstagung am 26.06.2024 in Köln

Die bislang gewonnen Erkenntnisse weiterzuentwickeln und an weiteren Standorten zu erproben, ist Aufgabe und Auftrag einer nun folgenden Zwischenphase, die im Juli 2024 mit insgesamt 20 weiteren Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen begonnen hat.

Das Konzept

Für das Pilotvorhaben entwickelten die drei Projektpartner ein konkretes Vorgehen zur Durchführung der Qualitätsentwicklungsverfahren. Grundlage hierfür waren einerseits die in § 8 LKG NRW vorgegebenen Eckpunkte sowie vorhandene Expertise zu Qualitätsentwicklungsverfahren im Kinderschutz.

Das entwickelte Verfahren steht auf zwei Säulen: Zum einen der Analyse eines ausgewählten Falls – vorbereitet durch das externe Analyseteam und im Rahmen einer ganztätigen Veranstaltung mit den Fach- und Leitungskräften im Jugendamt eingehend erörtert. Zum anderen wurden für die Evaluation der Strukturmerkmale u. a. amtliche Daten zur Sozialstruktur vor Ort, Zahlen zu Hilfen zur Erziehung, Zahlen zu durchgeführten Gefährdungseinschätzungen und vorläufigen Schutzmaßnahmen einbezogen ebenso wie eine standardisierte Befragung der Fach- und Leitungskräfte zu ihrer Arbeitssituation sowie Arbeitsmitteln im Kinderschutz. Auch die Auswertung von Dienstanweisungen und Arbeitshilfen des Jugendamtes sind zentraler Bestandteil. Die Ergebnisse werden anschließend in einem Bericht für jedes Jugendamt zusammengeführt und münden in Empfehlungen für konkrete Qualitätsentwicklung in den kommenden fünf Jahren; bis zur nächsten gemeinsamen Überprüfung.

Themen in den Qualitätsentwicklungsverfahren

In der Zusammenschau werden zentrale Themen deutlich, die in unterschiedlichen Ausprägungen die Kinderschutzarbeit in den Jugendämtern herausfordern: Insbesondere die Beteiligung von Kindern, der Zugang zu Eltern, die Hilfsangebote ablehnen, sowie die Möglichkeiten und Grenzen eines vertieften Verstehens der Hintergründe und Dynamiken für Gefährdungen in Familien. Hinzu kommen strukturelle Bedingungen, vor allem die Personalausstattung, aber auch die Verfügbarkeit und Qualität erforderlicher Hilfen. Fach- und Leitungskräfte berichten vielfach von Unzufriedenheit mit der Personalsituation, welche sich auch in unzureichenden zeitlichen Ressourcen für die Kinderschutzarbeit niederschlägt. Trotzdem schaffen ein hohes Engagement der Fachkräfte gemeinsam mit einer fachlichen und organisatorischen Unterstützung der Leitungskräften in vielen Jugendämtern tragfähige Teams für die Arbeit in Krisen.

Resonanz der teilnehmenden Jugendämter

Im Rahmen einer Begleitforschung wurden die teilnehmenden Jugendämter befragt, wie sie das Qualitätsentwicklungsverfahren erlebt haben: Fach- und Leitungskräfte sehen in den Verfahren eine Chance zur Verbesserung des Kinderschutzhandelns in ihrem Jugendamt. Sie wünschen sich realitätsnahe, konkrete Empfehlungen, die aber dennoch zu den spezifischen Bedarfen und Voraussetzungen ihres Jugendamtes passen. Der Blick von außen wurde als besonders konstruktiv erlebt, wenngleich bei fallführenden Fachkräften auch Sorgen bestanden, bei der Fallanalyse persönlich kritisiert zu werden. Insgesamt scheint es jedoch gut gelungen zu sein, eine respektvolle und anerkennende Atmosphäre zu schaffen, in der auch kritische Themen bearbeitet werden konnten.